09/02 2005:
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| Die Demokratie ist stark genug, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen. |
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Interview DeutschlandRadio (Moderator Jörg Degenhardt) am 9. Februar 2005 mit Ministerpräsidenten Dieter Althaus:
Der politische Aschermittwoch hat in diesem Jahr schon am letzten Sonntag begonnen. Da erklärte der bayerische Ministerpräsident in einem Interview, und er hat es inzwischen wiederholt: Die Arbeitslosigkeit, verursacht durch das ökonomische Versagen der Regierung Schröder, sei Schuld am Wiedererstarken der NPD. Die Reaktionen aus Berlin fielen entsprechend deutlich aus. Seitdem diskutiert die Republik über die Ursachen für die Wahlerfolge der Rechtsextremen und den richtigen Umgang mit ihnen. Und das kann ja nicht schaden, wenn am Ende der öffentlichen Debatten entsprechende Konsequenzen stehen. Die Frage ist nur, welche? Darüber möchte ich reden mit dem Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen, Dieter Althaus, CDU, er ist auch Mitglied im Verein "Gegen Vergessen - Für Demokratie". Zunächst, wo sehen Sie, Herr Althaus, die Hauptursache für den Zulauf, den NPD und DVU bei den letzten Wahlen erhalten haben?
Althaus: Es gibt sicherlich eine ganz einfache Lösung für diese Frage. Natürlich hat es auch mit der ökonomischen Situation - besonders in Sachsen und in einigen Regionen Sachsens zu tun. Aber es hat auch damit zu tun, dass es insgesamt eine ganze Reihe von protestverstärkenden Entwicklungen gegeben hat in den letzten Jahren. Besonders junge Menschen, besonders junge Menschen - mit niedrigerem Bildungsniveau - sind anfällig für diese Ideen und Ideologien, die insbesondere die Rechtsradikalen als einfache Antworten für gesellschaftliche Problemlösungen geben.
Degenhardt: Also teilen Sie die These von Edmund Stoiber nicht?
Althaus: Dass das sicher ein verstärkender Punkt ist, kann man schon sagen. Nur wenn man im Detail die Ergebnisse sich anschaut, kann man feststellen, dass Gebiete, wo eine geringere Arbeitslosigkeit ist, durchaus zum Teil eine höhere rechtsradikale Bewegung haben. Insofern ist das keine einfache Eins zu Eins Rechnung, dass man nur an der Höhe der Arbeitslosigkeit auch die rechtsradikalen Stimmen ablesen kann.
Degenhardt: Aber welche Erklärung haben Sie dafür, dass die von Schröders Politik enttäuschten nicht Ihre Partei, die CDU wählen?
Althaus: Das ist ja genau das Problem, dass es insgesamt schwierige politische Frage zu beantworten gilt, wie wir uns in der Globalisierung besser aufstellen, wie wir zu mehr Wirtschaftswachstum kommen. Und die rechtsradikalen Parteien, im Übrigen auch andere Parteien im Spektrum haben sehr einfache Antworten. Diese einfachen Antworten funktionieren zwar nicht, aber sie sind erstmal sehr eingängig. Deshalb glaube ich, ist es sehr wichtig, sich sehr konsequent mit den Ideen und mit den Parolen auseinander zu setzen und auch diese inhaltliche Auseinandersetzung auf allen Ebenen der politischen Diskussion, aber auch im privaten Bereich umsetzen.
Degenhardt: Wen meinen Sie denn mit anderen Parteien? Wenn Sie die PDS meinen sollten, kann man deren Populismus vergleichen mit dem der Rechtsaußenparteien?
Althaus: Ob man die vergleichen kann, das will ich gerne diskutiert wissen. Aber es ist schon bedenklich, dass auch die PDS häufig sehr einfache Parolen für gesellschaftlich komplizierte Problemlagen gibt. Das zeigt sich ganz besonders im Wahlkampf, besonders dass die PDS auch für die Alternative der Gesellschaft eintritt. Das heißt, dass sie nicht für die soziale Marktwirtschaft in der jetzigen Form ist, für die Demokratie in der jetzigen Form ist und auch in der Globalisierung mit den Herausforderungen. Sie meint, der Staat könnte sehr viel stärker eingreifen und ordnend das Ganze in eine andere Richtung bewegen.
Degenhardt: Hilft uns ein Parteienstreit über die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus? Oder dient er nicht eher den Rechtsaußenparteien, weil es bedeutet ja auch Werbung für DVU und NDP?
Althaus: Also, man muss beides tun. Man muss sicherlich sich stark und deutlich auseinandersetzen. Aber ich glaube, man muss auch deutlich machen, dass nicht durch ständige Diskussion über rechtsradikale Gedanken und rechtsradikale Parteien der Eindruck entsteht, dass in Deutschland hier eine Überdimensionierung vorherrscht, die nicht mehr zu bewältigen ist. Die Demokratie ist stark genug, sich mit dem Problem auseinander zu setzen. Was wir sicher tun müssen, ist konsequent diese Parteien, wenn es mehrere sind, jetzt in dem Fall die NPD und ihre Ideologien stigmatisieren. Wir müssen eine klare inhaltliche Auseinandersetzung pflegen. Wir müssen den polizeilichen Verfolgungsdruck da wo - möglich erhöhen und wir müssen im besonderen bei jungen Menschen uns auch mit den Ideen auseinandersetzen. Das heißt die Ursprünge und Entwicklungen - auch die Folgen des Nationalsozialismus klar diskutieren, damit es nicht nur zu pauschalen Bekenntnissen kommt gegen den Rechtsextremismus - sondern damit diese Bekenntnisse auch durch konkretes Wissen unterlegt sind.
Degenhardt: Auf Initiative Brandenburgs wird sich am Freitag die Innenministerkonferenz mit einem möglichen zweiten Anlauf zu einem NPD-Verbot befassen. Welche Chancen geben Sie denn einem erneuten Antrag?
Althaus: Falls ein NPD-Verbot wirklich umsetzbar ist, sollte man natürlich rechtsradikale Parteien - wie die NPD - verbieten. Das entzieht uns aber nicht der deutlichen inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Ideen und Ideologien. Deshalb glaube ich, müsste das wirklich erst exakt vorbereitet werden, damit ein solcher juristischer Weg am Ende auch erfolgreich begangen werden kann. Ein zweiter Fehlversuch wäre katastrophal und würde die NPD noch mehr stärken.
Degenhardt: Könnten Sie sich vorstellen, Herr Althaus, dass Ihr Bundesland, dass der Freistaat Thüringen, eine Bundesratsinitiative unterstützt, in der es darum geht, Aufmärsche der Rechtsextremen an sensiblen Orten zu vermeiden?
Althaus: Einen solchen Vorschlag haben wir ja schon eingebracht. Und ich halte das schon für wichtig, dass besonders sensible Orte, die auch für besondere Geschichtsdaten stehen, nicht von rechtsradikalen missbraucht werden. Ich könnte mir vorstellen, das sind Orte, wo zum Beispiel in der Nähe ein Konzentrationslager war oder wie in Weimer, Orte wie der Platz vor dem Deutschen Nationaltheater. Da gibt es sicher Orte, die man schützen sollte vor Aufmärschen von Rechtsradikalen.
Degenhardt: Die NPD wird wegen ihrer Wahlerfolge im letzten Jahr, also 2004, einen Staatszuschuss von rund 650.000 Euro erhalten. Etwa doppelt so viel, wie im Vorjahr. Muss man da nicht auch das Parteiengesetz ändern?
Althaus: Nein, also da würde ich schon sagen, wenn wir unser Parteiengesetz diskutieren, müsste man ja letztlich die Wählerstimmen differenziert bewerten. Das funktioniert sicher nicht. Entweder wir schaffen es durch eine gute juristische Vorbereitung, die NPD zu verbieten, oder wir müssen uns innerhalb des demokratischen Spektrums und auch innerhalb des demokratischen Prozederes mit dieser Partei auseinandersetzen. Da kann man nicht differenziert vorgehen, denn die Wählerstimmen sind abgegeben und haben deshalb auch ihre entsprechende Wirkung.
Degenhardt: Die Rechtsextremen sind bereits in die Mitte der Gesellschaft eingedrungen, diese Herausforderung müssen wir annehmen, so die Einschätzung von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Würden Sie auch soweit gehen?
Althaus: Was heißt in die Mitte der Gesellschaft? Das ist, glaube ich, etwas zu weitgehend formuliert. Das hieße ja, dass eine große Zahl von Menschen dem rechtsextremen Gedankengut anhängt. Das kann ich nicht erkennen. Ganz im Gegenteil. Aber wir müssen die Herausforderung der Ideen und Ideologien ernst nehmen und auch annehmen und das heißt, alle Wege gehen, die juristischen Wege, die polizeilichen Wege. Aber ganz besonders ist die Auseinandersetzung mit den Gedanken und Ideen. Und ich glaube, sehr wichtig ist es, bei jungen Menschen damit zu beginnen, schon in den Schulen, damit der Auftrag, den menschenverachtenden Charakter der Ideologien deutlich zu machen an konkreten Beispielen und in den Schulen vermittelt wird, damit relativ frühzeitig auch alle Ideen und die Folgen dieser Ideen stigmatisiert werden.

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01/01 2005:
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Meine Gedanken – und sicherlich auch Ihre – sind in diesen Tagen bei den Opfern der grauenvollen Katastrophe im Süden Asiens. Die Zahl der Toten und Verletzten ist unvorstellbar hoch. Die Bilder von den Ertrunkenen und den Angehörigen, die um sie trauern, lassen mich nicht los. Nun sind Zehn-, wenn nicht Hunderttausende von Seuchen bedroht. Die betroffenen Regionen sind dringend auf Hilfe angewiesen. Weltweit sind Hilfsmaßnahmen angelaufen, selbstverständlich wird sich der Freistaat Thüringen im Rahmen seiner Möglichkeiten daran beteiligen. Ich bitte auch Sie, durch Spenden an die Hilfsorganisationen einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Katastrophe nicht noch mehr Opfer fordert.
Gerade in solchen Situationen erlebe ich immer wieder – und ich freue mich darüber –, wie viel Mitmenschlichkeit die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land zeigen. Wie viel ehrenamtliches, also uneigennütziges Engagement es in Thüringen gibt. Wie groß die Bereitschaft zu spontaner Hilfe ist.
Das war auch beim verheerenden Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek zu sehen. Ohne diese Hilfe wären noch sehr viel mehr wertvolle Bücher den Flammen zum Opfer gefallen. Ja, auch wenn – Gott sei Dank! – keine Menschen zu Schaden gekommen sind: Dieser Großbrand war für uns in Thüringen ein schreckliches Ereignis im vergangenen Jahr, denn er hat einen bedeutenden Teil unseres kulturellen Erbes zerstört. Nun gilt es, das Gebäude wieder herzurichten und von den beschädigten Büchern zu retten, was zu retten ist. Ich danke allen, die sich durch ihre Spenden daran beteiligt haben oder noch beteiligen werden. Auch wenn schon eine stattliche Spendensumme zusammengekommen ist – es werden noch erhebliche Mittel nötig sein. Das Land kann sie nicht alleine aufbringen.
Unser Landeshaushalt befindet sich ohnehin in einer sehr schwierigen Lage. Seit drei Jahren bleiben die Steuereinnahmen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Eine Folge der wirtschaftlichen Krise, in der sich ganz Deutschland befindet. Das zwingt uns zu drastischen Sparmaßnahmen, die für viele in Thüringen eine Zumutung sind. Aber ich bitte Sie um Verständnis: Wir können uns nicht in noch mehr Schulden flüchten. Das wäre gegenüber unseren Kindern und deren Kindern unverantwortlich.
Ich habe für die kommenden Monate deshalb nicht nur einen konsequenten Sparkurs angekündigt, sondern auch eine Reihe von Umstrukturierungen bei der Landesverwaltung. Sie führen dazu, daß im Laufe dieser Legislaturperiode über 40 Behörden geschlossen werden. Davon werden auch viele Orte betroffen sein. Wir ergreifen diese Maßnahmen, weil wir Thüringen fit machen wollen für die Zukunft. Außerdem müssen wir die Auswirkungen der demographischen Entwicklung berücksichtigen. Und: Wir brauchen wieder mehr Gestaltungsspielraum auf den wichtigen Feldern Familie, Bildung und Wirtschaft.
Deshalb habe ich es mir zum Ziel gesetzt, Bürokratie abzubauen und den Staat schlanker zu machen. Ich setze auf mehr Eigenverantwortung und weniger staatliche Bevormundung. Vieles ist – nicht nur in Thüringen! – zu stark reglementiert. Das widerspricht meinem Verständnis von Freiheit. Das widerspricht der Freiheit, die wir uns vor 15 Jahren erkämpft haben. Deshalb sage ich ganz offen: Etliche der Umstrukturierungsmaßnahmen wären auch dann notwendig und sinnvoll, wenn wir nicht sparen müßten.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, unser Land ist eines der schönsten der Bundesrepublik Deutschland. Es hat eine reiche Geschichte, eine unvergleichliche Kultur, eine herrliche Landschaft – und es bietet ein hohes Maß an Lebensqualität, gute Bildungschancen. Unsere Industrie verzeichnet ein anhaltendes Wachstum, und die Ausgangslage hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter verbessert.
Trotzdem leidet Thüringen – wie ganz Deutschland – immer noch unter einer viel zu hohen Arbeitslosigkeit. Wir wissen, daß sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht in naher Zukunft entspannt. Aber wir können gemeinsam dafür arbeiten, Thüringen noch attraktiver zu machen – für Industrieansiedlungen, für wissenschaftliche Forschungseinrichtungen, für junge Leute.
Unsere Lage mitten im größer gewordenen Europa ist einer unserer Pluspunkte, die wir noch stärker zum Tragen bringen wollen. Ich bin zuversichtlich, daß wir unser Land auch in diesem Jahr wieder ein Stück weiter voranbringen werden. Ich arbeite gern für Thüringen, und ich bin überzeugt, daß wir auf einem guten Weg sind. Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Zuversicht teilten. Denn nur mit Zuversicht läßt sich Zukunft gestalten.
Ich wünsche Ihnen ein gesundes, ein glückliches und ein erfolgreiches Neues Jahr!

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14/12 2004:
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| Interview DeutschlandRadio Berlin zur Förderalismusreform: |
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Herr Althaus, sind Sie denn guter Dinge, dass bis Freitag alle Streitpunkte vom Tisch sind?
Althaus: Ja, ich hoffe, dass wir morgen Abend in Berlin auch als Ministerpräsidenten die offenen Fragen so klären können, dass dann zwischen Herrn Müntefering und Herrn Stoiber wirklich Einigungen erzielt werden können. Wichtig ist, dass der Bund sich noch bewegt, denn hier liegen noch einige Nachprobleme.
Welche Punkte sind Ihnen denn so wichtig, dass Sie sagen, wenn wir da keinen Konsens hinkriegen, dann ist die Reform allerhöchstens ein Reförmchen, wenn nicht gar gescheitert?
Althaus: Also wir stehen schon an einer Weichenstellung, bei der beides möglich ist: Sackgasse oder Weg in die Zukunft. Entscheidend ist, dass wir bei den Finanzfragen, gerade auch die neuen Länder, eine vernünftige zukunftsfähige Lösung finden. Da geht es um den Solidarpakt, insbesondere um den so genannten Korb II.
Sie wie auch Ihre anderen Ministerpräsidentenkollegen im Osten fordern ja die Verankerung des Solidarpaktes im Grundgesetz. Sehen Sie die Interessen der ostdeutschen Länder ansonsten unter die Räder kommen?
Althaus: Wir haben ja in den letzten Jahren gespürt, wie auch bei den Gemeinschaftsaufgaben Reduzierungen vorgenommen worden sind. Der Solidarpakt ist verhandelt bis zum Jahr 2019. Wir brauchen ihn, um die teilungsbedingten Lasten gemeinsam zu überwinden, und dazu gehört auch der so genannte Korb II mit immerhin rund 51 Milliarden Euro. Wenn wir ihn jetzt nicht im Grundgesetz verankern, dann besteht die Gefahr, dass er in den nächsten Jahren, wenn Haushalte problematisch gestaltet werden können, doch nicht umgesetzt wird. Deshalb muss eine verfassungsrechtliche Verankerung erfolgen.
Aber wenn Ost- und Westländer, Große und Kleine oder Arme und Reiche ihre ganz speziellen Interessen formulieren, wie will man dann eine Radikalreform zu Stande bringen?
Althaus: Nein, wir sind uns da einig, auch als Ministerpräsidenten, mit den Kollegen in den alten Ländern. Das ist ja eine Verhandlung, die schon vor einigen Jahren geführt worden ist, und das Wesentliche ist, dass die Länder insgesamt ja zugestimmt haben bisher, dass die zustimmungspflichtigen Gesetze von immerhin über 60 Prozent auf um die 30 Prozent sinken. Das heißt, dass die Flexibilität und die Handlungsfähigkeit des Bundes zunimmt, das war ja auch das große Ziel. Deswegen muss im Gegenzug auch für die Länder ein entsprechendes Regelwerk abgeschlossen werden. Dazu gehört im Übrigen auch die volle Zuständigkeit für Bildung, und dazu gehört auch die umfassend Zuständigkeit für Hochschulen.
Sie haben es erwähnt, die Zahl der im Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze von jetzt 60 Prozent soll halbiert werden. Berauben sich aber so nicht die Länder wichtiger Einflussmöglichkeiten, wenn sie hier Kompetenzen an den Bund abgeben?
Althaus: Zum Ersten, ganz am Ende wird entschieden, wir werden also keinem Teilergebnis zustimmen. Aber zum Zweiten, darum geht es ja genau, dass die Bundespolitik schneller und flexibler reagieren kann, dass die gegenseitige Abhängigkeit über den Bundesrat deutlich minimiert wird und dass damit auch der Vermittlungsausschuss deutlich weniger Möglichkeiten hat, bestimmte Gesetze vollständig zu verhindern. Das soll sein, damit auf der einen Seite die Länder auch ihre eigenen Zuständigkeiten gestärkt sehen.
Sie haben die Bildung schon angesprochen. Da möchte ich noch mal drauf zu sprechen kommen. Soll nicht der Bund nach den schlechten Ergebnissen der PISA-Studie mehr Mitwirkungsmöglichkeiten bekommen, oder soll alles bei den Ländern bleiben, auch in der Frage der Hochschulpolitik?
Althaus: Auf den ersten Blick scheint das nur so. Wenn PISA im Detail analysiert wird, zeigt sich sicherlich auch bei dieser Studie, dass die Länder große Unterschiede haben. Deshalb müssen Länderpolitiken dafür sorgen, dass die Bildungsqualität in den Ländern deutlich verbessert wird. Wir wissen, dass der Unterschied zwischen Bayern, Japan und Finnland geringer ist als der Unterschied zwischen Bayern und Bremen. Das zeigt die große Spannbreite innerhalb Deutschlands. Also keine Nationalisierung der Bildungspolitik, sondern die Wahrnehmung der Verantwortung in den Ländern. Das ist, glaube ich, das Ergebnis von PISA.
Als Grundfehler der Föderalismuskommission hat der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog kritisiert, dass man sich von vorne herein darauf geeinigt hat, nicht über die Finanzverteilung von Bund und Ländern zu reden. Muss denn jetzt als Nächstes über das Geld geredet werden?
Althaus: In dieser Sitzungsreihe sicher nicht. Ich hoffe, dass wir am Freitag ein Gesamtergebnis erzielen über das, was wir uns vorgenommen haben. Ob man später auch über die Finanzverfassung reden kann, weiß ich nicht. Ich wäre offen für eine solche Diskussion. Das hieße dann aber, dass man sowohl die Steuerrechtsfrage für die Länder neu diskutiert als auch die Frage des Länderfinanzausgleichs. Ich halte es aber jetzt für gut, dass alles vor die Klammer gezogen worden ist, denn wir haben große Unterschiede in der finanziellen Ausstattung der Länder, und wenn man dieses Thema mit auf die Tagesordnung gesetzt hätte, wäre die Veranstaltung sehr viel komplizierter geworden.
Stand etwa nicht auch die Angst, dass möglicherweise die kleineren Länder, die Ostländer und die finanzschwächeren Länder vielleicht über den Tisch gezogen werden von der anderen Seite?
Althaus: Über den Tisch gezogen sicher nicht, aber wir brauchen erst mal einen gewissen Ausgangswert, auf dem wir auch miteinander in den Wettbewerb treten. Ich bin für diesen föderalen Wettbewerb, und ich glaube auch, dass wir in einem nächsten Gang dann über Finanzfragen sprechen können. Aber die nächsten Jahre sollten wir erst einmal nützen, die Inhaltsfragen besser klären zu können in Eigenverantwortung als Länder und auch als Bund. Wir müssen dann sehen, wie sich die föderale Ordnung grundsätzlich weiterentwickelt.
Vielen Dank für das Gespräch.

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04/11 2004:
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| Streichung des 3. Oktober ist abwegig |
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Tag der Deutschen Einheit: Freizeit oder Gedenken? NDR Info-Interview mit Ministerpräsient Dieter Althaus am 04.11.2004, 07.20 Uhr
Der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober ist ein bundesweiter Feiertag. Noch. Angeblich erwägt die Bundesregierung, den Feiertag vom Datum 3. Oktober zu entkoppeln und stets auf einen Sonntag zu legen. Finanzminister Eichel will das heute voraussichtlich bekannt geben. Damit gäbe es einen Arbeitstag mehr pro Jahr, 0,1 Prozentpunkte mehr Wirtschaftswachstum und Millionen Euro zusätzliche Steuereinnahmen. Ideal für Eichels Haushaltslücken. Aber es regt sich Widerstand. Der frühere DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke von der CDU bezeichnete Kanzler und Finanzminister als Vaterlandsverräter.
Fragen dazu an Dieter Althaus von CDU, er ist Ministerpräsident von Thüringen.
NDR Info: Herr Althaus, geben Sie Ihrem Parteikollegen Nooke Recht?
Althaus: Herr Nooke hat sicher eine sehr deutliche Formulierung gewählt, aber im Prinzip ist es vollkommen abwegig, eine solche Streichung vorzunehmen. Kein Land der Welt würde einen solchen nationalen Feiertag aufgeben. Die Bundesregierung muss endlich aufhören, an Symptomen herumzudoktern. Deutschland braucht Reformen, damit wir wieder Wachstum und Beschäftigung haben, und wenn diese Reformen nicht in Gang gesetzt werden, dann muss man auch nicht versuchen mit ganz kleinen Maßnahmen, die dazu noch abwegig sind, diese Entwicklung zu korrigieren.
NDR Info: Warum abwegig? Der Tag der Deutschen Einheit würde ja nicht abgeschafft, sondern nur verlegt und die Bundesregierung, die fragt sich jetzt: Geht’s jetzt bei dem Tag der Deutschen Einheit um Freizeit oder um Gedenken. Hat Sie mit dieser Frage nicht Recht?
Althaus: Es geht um Gedenken. Es geht um Gedenken an die Deutsche Einheit. Dass diese Bundesregierung wenig von der Deutschen Einheit hielt ist mir bekannt, aber wir alle, und da schließe ich mich ein, waren begeistert, dass dieser 3. Oktober in Deutschland möglich geworden ist. Und er sollte als nationaler Gedenktag auch an diesem Tag gefeiert werden. Und ich habe in diesem Jahr in Erfurt bei der zentralen Feier erlebt, wie viele Menschen nicht nur aus Thüringen, sondern aus ganz Deutschland, das ganz genauso sehen, und insofern hoffe ich sehr, dass es zu einer solchen unsinnigen Regelung nicht kommt.
NDR Info: Welchen Beitrag könnte denn Ihr Bundesland sonst noch leisten, damit es weiter aufwärts geht mit der Wirtschaft und mit dem Wachstum?
Althaus: Der wichtigste Beitrag wäre eine andere Regierung in Deutschland, damit wir endlich das tun, was notwendig ist. Alle Länder der Welt, auch insbesondere unsere europäischen Nachbarn, sind derzeit dabei, ihre Steuerrechte international marktfähig aufzustellen. Wir tun nichts und denken nur an Europa an dieser Stelle. Zweitens müssen wir dringend die Sozialstaats- und die Arbeitsmarktreform weiter vorantreiben. Alle diese Punkte sind entscheidend für Wachstum und Beschäftigung, aber wenn man nur an so ganz kleinen Symptomen versucht herumzudoktern, wird man nicht wirklich Wachstum und Beschäftigung organisieren.
NDR Info: Warum schafft es denn Ihre Partei, die CDU, nicht, sich mit diesen Punkten auch tatsächlich durchzusetzen, sondern gibt stattdessen am laufenden Band ein zerstrittenes Bild ab?
Althaus: Na gut, bei Steuern und beim Arbeitsmarkt sind wir einig. Wir haben bei der Gesundheitsreform noch einen dringenden Handlungsbedarf, aber trotzdem sind wir bei den wesentlichen Reformen für Deutschland einig. Es geht wieder um Wachstum und Beschäftigung. Wir haben nur auf der anderen Seite derzeit überhaupt keine Möglichkeit dieses umzusetzen, da wir nicht die Mehrheit im Bundestag haben und deshalb macht es auch keinen Sinn, jetzt sozusagen bei der Union den Ausweg zu suchen. Den Ausweg muss die Regierung gehen. Dass man aber den 3. Oktober überhaupt in die Diskussion bringt, zeigt, wie wenig identitätsbewusst auch diese Bundesregierung denkt. Die Deutschen brauchen, gerade auf Grund ihrer Geschichte, auch einen Tag, an dem sie ihre Identität fördern und auch herausgefordert sind. Und da ist für mich der Tag der Deutschen Einheit, der 3. Oktober, der beste Tag, der sich bietet.

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23/09 2004:
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| Deutschlandfunk-Interview |
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Es mag einigen jedenfalls so vorkommen, als hätten manche in der Union nur auf die erste Schlappe des Jahres gewartet. Kaum waren die massiven Verluste bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg eingefahren, da stand auch schon die Führungsqualität von CDU-Chefin Angela Merkel im Mittelpunkt der Kritik. Eine Kritik verbunden mit der Frage: Welchen politischen Kurs fahren die Unionsparteien derzeit? Zum zweiten spielt dabei wieder einmal die K-Frage mit. Auch in den Internetforen der Partei rumort es heftig. Von pro Stoiber über kontra Merkel bis zu pro Koch, das Ganze aber auch freilich umgekehrt.
Die Meinungsforschungsinstitute signalisieren inzwischen das Rennen um 2006. Das ist wieder offen und der Kanzler ist definitiv noch nicht geschlagen. Bayerns Innenminister Günther Beckstein bringt das ganze so auf den Punkt: Im Schlafwagen kommt man nicht an die Macht.
Am Telefon sind wir nun verbunden mit Dieter Althaus, christdemokratischer Ministerpräsident von Thüringen. Guten Morgen!
Guten Morgen, Herr Müller!
Herr Althaus, wer hat denn alles in der Union geschlafen?
Ich glaube, wir haben etwas unterschätzt, dass wir nicht nur durch die Schwäche der SPD stark sein können. Wir müssen darauf achten, dass die inhaltlichen Konzepte, die wir uns erarbeitet haben, auch mit Geschlossenheit vertreten werden.
Frau Merkel hat ja am Sonntag, am Wahlabend, selbst noch davon gesprochen: Wir müssen Kurs halten. Haben sich dann viele gefragt, auch die Kommentatoren in den Zeitungen am nächsten Tag: Welchen Kurs meint sie denn da? Wissen Sie es?
Das ist genau der Punkt: Wir haben im letzten Jahr in Leipzig zum Beispiel zur Sozialstaatsreform umfassende Beschlüsse gefasst, die sind in allen wichtigen Fragen eindeutig. Natürlich gibt es noch Streit mit der Schwesterpartei, aber für die CDU liegt die Linie fest. Und trotzdem gibt es dann auch wieder aus der Führung Querschüsse - und das kann nicht sein. Und wir müssen deshalb bis zum Parteitag in Düsseldorf die Zeit nutzen, um die offenen Fragen auch mit der CSU zu klären. Und bei diesem Parteitag muss klar werden, dass wir ein Gesamtkonzept für Deutschland haben, das wir in einem Zukunftsgesetz für Deutschland umsetzten - für den Fall, dass wir die Regierung in Deutschland übernehmen. Denn die Alternative wird nur wirklich wahrgenommen, wenn wir sie auch als Alternative formulieren. Das heißt, wenn sie die Führung formuliert und wenn auch die Führung insgesamt zu dieser Alternative steht.
Herr Althaus, was sind das für Querschüsse?
Ich kann es letztlich natürlich nur individuell bewerten: Ich glaube, es liegt zum einen daran, dass es sicher auch kritische Nachfragen zu den Inhalten gibt, die wir festlegen. Aber wenn wir uns mehrheitlich geeinigt haben, finde ich, gilt das für die Partei. Zum zweiten gibt es immer wieder Vorstöße zu noch umfassenderen Reformen. Ich denke nur an den Arbeitsmarkt, dass der Kündigungsschütz vollkommen abgeschafft werden soll. Das sind unsinnige Weiterungen, die mit Recht die Menschen nur verunsichern und deutlich machen, dass wir möglicherweise mehr über soziale Zumutung statt über den Kurs auf Wachstum zu mehr Arbeitsplätzen kommen. Und dann gibt es drittens möglicherweise auch machtpolitisch motivierte Querschüsse. All das ist unsäglich, denn wir wollen 2006 für Deutschland die Verantwortung wieder übernehmen. Und wenn das das oberste Ziel ist, dann müssen sich auch alle in der Partei, die in Verantwortung stehen, diesem obersten Ziel unterordnen.
Man mag es ja kaum glauben, muss man da wieder sagen. Die Öffentlichkeit hat ja offenbar zunächst einmal genug vom Personalstreit, von den Personalquerelen um die potentielle Führung der Union. Aber Sie sagen ganz klar: Das ist immer noch nicht ausgetragen, das schwelt immer noch im Hintergrund.
Nun ist sicher klar, wenn die Kanzlerkandidatur erst Anfang 2006 entschieden wird, dass es auch da unterschiedliche Auffassungen gibt. Aber auf dem Weg dahin, finde ich, müssen diejenigen, die die Parteien führen, also CDU: Angela Merkel, CSU: Edmund Stoiber, mit ihrer Verantwortung auch die Inhalte vertreten, auf die wir uns geeinigt haben. Und jeder, der dann in der nächstfolgenden Reihe versucht, an diesen vorbei andere Inhalte zu popularisieren, schadet dem Gesamtbild, schadet der klaren Alternative und bringt ganz eindeutig auch damit Rot-Grün wieder in die Vorhand.
Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Bayern es offenbar noch nicht begriffen haben?
Wir haben einen offenen Punkt. Wir haben einen wichtigen Punkt, das ist die Gesundheitsversicherung - wie wir hier in die Zukunft gehen. Das darf nicht zu einer Personalfrage werden. Hier geht es um einen Sachstreit. Und diesen Sachstreit müssen wir sehr zügig ausräumen. Wenn dahinter noch andere Argumente eine Rolle spielen, halte ich das für nicht zielführend. Wir müssen, wie gesagt, auf 2006 hin, spätestens ab dem Parteitag in Düsseldorf in dieser Geschlossenheit auch als Gesamtformation erkennbar sein. Nur dann können wir unsere Alternative zur Regierungspolitik auch darstellen.
Herr Althaus, reden wir noch einmal ganz kurz über Stichworte im inhaltlichen Bereich. Also Gesundheitspolitik, das haben Sie angesprochen, Sozialpolitik im weiteren Feld, dann Arbeitsmarktpolitik. Natürlich in diesem Zusammenhang auch Hartz IV. Kann das sein, warum die Partei sich jetzt so schwer tut - im Grunde haben es ja die Wahlen erst gezeigt vorher, das haben Sie selbst gesagt, ist das im Grunde verdeckt worden ein wenig auch durch die Schwäche der Bundesregierung -, kann es sein, dass diese Punkte, die wir hier gerade genannt haben, in der Partei tatsächlich nicht ausreichend genug und lang genug diskutiert worden sind?
Mag sein, dass sich nicht jeder mit der Reform wirklich befasst hat. Wir haben das getan und wir haben uns nach der Diskussion zu dem Weg entschlossen, diese Hartz IV-Reform zu unterstützen. Nicht weil wir alle Details zu hundert Prozent unterstützen, aber weil wir von dem Gesamtweg überzeugt sind. Wir haben vorgeschlagen, die Sozialhilfe und die Arbeitslosenhilfe zusammenzulegen. Wenn also ein solcher Entschluss gefasst wird, gilt auch: Dort muss die Partei stehen. Das heißt nicht, dass wir die Fehler, die die Bundesregierung bei der Umsetzung macht, tolerieren. Ganz im Gegenteil. Aber zum Inhalt muss man stehen und ihn auch vermitteln. Denn es geht auch bei dieser Reform darum, den Arbeitsmarkt zu öffnen und zu mehr Wachstum und zu mehr Beschäftigung zu kommen.
Hat das die CDU-Führung in Gänze getan?
Na ja, es hat von der Führung, wenn man die Spitze der Führung anschaut, eine klare Position gegeben. Aber dahinter ist schon zum Teil ein vielstimmiger Chor sichtbar geworden und der Eindruck vermittelt worden, als wenn wir uns, nach dem die Entscheidung gefällt worden ist, zum Teil in die Büsche schlagen. Das geht nicht, das ist unglaubwürdig. Denn diese Reform ist wichtig, um letztlich auch für den Arbeitsmarkt mehr Flexibilität zu bekommen. Und wir müssen die Fehler der Bundesregierung kritisieren, nicht aber den Inhalt der Reform.
Die Reformen sind radikal. Es sind radikale Einschnitte für die SPD-Klientel, so wie auch natürlich für die Unions-Klientel. Gibt es einen tatsächlichen Belichtungsstreit innerhalb der Christdemokraten?
Nein, den gibt es nicht. Ich glaube, auch mit der CDA - Hermann-Josef Arentz hat das deutlich gemacht - ist vollkommen klar der Weg beschrieben: Wir müssen in Deutschland endlich wieder Wachstum bekommen. Diese ganze Rhetorik, dass wir angeblich schon wieder auf einem aufstrebenden Ast sind, ist ja vollkommen an der Realität vorbei. Wir hinken in Europa hinterher. Die Arbeitslosigkeit nimmt faktisch zu - ob in Ost oder West. Und es beginnen Neiddebatten. Das heißt, wir müssen in Deutschland den Menschen und uns selbst klar machen: Nur über eine vernünftige Wachstumsstrategie werden wir auch sowohl wieder Arbeit schaffen als auch Sozialstaat sichern. Und das muss man vermitteln - und muss dazu auch dann die entsprechenden Reformen begründen und darf nicht immer so in Schubkastenform denken, sondern muss das Gesamtkonzept auch in den Mittelpunkt der Diskussion rücken.
Aber der Kündigungsschutz soll außen vorbleiben, nach Ihrer Sicht?
Ja, und genau da, meine ich, dürfen wir nicht uns selbst in Frage stellen. Wir wollen, dass durch einen differenzierten Kündigungsschutz, genauso wie bei anderen Fragen des Arbeitsmarktes, die Flexibilität im Unternehmen zunimmt. Damit für den Arbeitsmarkt entschieden werden kann und nicht gegen den Arbeitsmarkt, weil Kündigungsschutz dann noch mehr Arbeitsplätze kostet. Und deshalb muss man ihn flexibilisieren. Dann darf ihn aber nicht grundsätzlich in Frage stellen. Das ist ganz wichtig. Und ich glaube, diese Art der Übertreibung führt immer wieder dazu, dass die Union vielstimmig wahrgenommen wird. Ich kann nur dazu raten, dass wir bei unserem Gesamtkonzept bleiben: Arbeitsmarkt, Sozialstaat und Steuern müssen verändert werden in Deutschland - so, dass wir mehr individuelle Freiheit im Unternehmen bekommen und dass wir Anreize für mehr Wirtschaftentwicklung bekommen.
Dieter Althaus war das, Ministerpräsident von Thüringen, CDU.
Vielen Dank für das Gespräch!


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