Titel: Familienoffensive
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CDU berücksichtigt Anregungen von Eltern und Kommunen



Mohring: "Familienoffensive stärkt Familien"

 

Die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag hat am Mittwoch dieser Woche ihre Beratungen zum Thüringer Familienfördergesetz abgeschlossen. "Wir haben dazu intensive Beratungen mit der Basis, Eltern, Erziehern und den Kommunen geführt", so CDU-Generalsekretär Mike Mohring.

 

"Bei den Regelungen, bei denen praktische Probleme aufgetreten wären, haben wir Anregungen und Hinweise aufgenommen und diese in das Gesetz einfließen lassen", so CDU-Generalsekretär Mike Mohring. Die grundsätzliche Intention der Familienoffensive, eines Systemwechsels in der Familienförderung hin zur Kindbezogenheit und Wahlfreiheit, bleibt unverändert bestehen. Das Gesetz wird voraussichtlich in der Landtagssitzung am 8. Dezember beschlossen.

 

Anders als zunächst geplant, werden die Finanzströme für die Kindergärten nicht über die Landkreise laufen, sondern direkt zu den Wohnortgemeinden fließen. Die Verantwortung für die Kindertagesstätte bleibt somit vor Ort. Damit ist der wichtigste Änderungsvorschlag der Kommunen umgesetzt.

 

Neu ist auch die Regelung, dass die Infrastrukturpauschale von 1000 Euro pro neugeborenem Kind direkt in die Kindergartenbetreibenden Gemeinden fließt. Für einen Übergangszeitraum bis 2007 können die Mittel aus der Infrastrukturpauschale auch für Personal und Betriebskosten genutzt werden. Gemeinden, wo die Sanierung des Kindergartens bereits abgeschlossen ist bzw. die keinen eigenen Kindergarten betreiben, können die Mittel auch für die Sanierung ihrer Spielplätze und andere Maßnahmen im Interesse der Kinder und Familien verwenden.

 

Neu regeln will die Fraktion auch die Finanzierung von Plätzen für Kinder im ersten und zweiten Lebensjahr in Kindertagesstätten oder der Kindertagespflege. Für jeden durch diese Altersgruppe tatsächlich in Anspruch genommenen Platz erhält die Wohnortgemeinde oder der zuständige Träger der Jugendhilfe zukünftig 100 Euro monatlich.

 

Vorgezogen wurde die Auszahlung des neuen Thüringer Erziehungsgeldes in Höhe von 150 Euro pro Monat, das jetzt schon ab dem 1. Juli 2006 für alle Kinder im 3. Lebensjahr zur Verfügung steht.


10/11 2005

Das Angebot wird sich verbessern



Professor Habisch baut auf die Bürgergesellschaft

 

von Gerlinde Sommer (TLZ)

 

Erlangen. (tlz) Professor André Habisch von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt macht sich für die Familienpolitik in der Bürgergesellschaft stark und hat jetzt die Thüringer Familienoffensive begutachtet. Der 42jährige ist Vater dreier Kinder – auch im Kindergartenalter. Er hat in der Bundestags-Enquetkommission „Bürgerschaftliches Engagement“ als auch in der Thüringer Enquetekommission Erziehung und Bildung mitgearbeitet.

 

Professor Habisch, die Thüringer Familienoffensive ist heftig umstritten. Ist denn das Vorhaben so außergewöhnlich?

 

Nein. Ein Schwerpunkt meines Gutachtens zeigt auf, dass diese Entwicklung international und national im Gange ist, wobei Thüringen sicherlich ganz eigene Akzente setzt. In den nordischen Ländern ebenso wie in Österreich, aber auch in Bayern und Hamburg beispielsweise.

Die Norweger waren mit die ersten, die die Kindergartenfinanzierung umgestellt haben von einer Objektfinanzierung hin zu einer Subjektfinanzierung.

In Bayern, wo ich lebe, geht nach der Änderung des Kindergartengesetzes die Reform in die gleiche Richtung – und die Herausforderungen, vor denen die Kindergärtnerinnen stehen, sind identisch. Die Diskussionen und Reaktionen waren ebenfalls vergleichbar – gerade auch bei den Betroffenen. Mittelfristig sind aber die Erfahrungen positiv. Das zeigt sich in den Modellprojekten, die es schon seit mehreren Jahren gibt.

Es gibt auch solche Modelle in Hamburg, allerdings mit zunächst weniger positiven Erfahrungen. 

 

Woran lag das?

 

Die Hamburger haben gleichzeitig das System umgestellt und gespart.

 

Das heißt, als Sparmodell eignet sich die Familienoffensive nicht, wenn sie ein Erfolg werden soll?

 

Man muss ganz deutlich sagen: Das ist kein Sparmodell – und Thüringen hat das meinen Erhebungen zufolge auch nicht vor.

 

Eine Befürchtung lautet, dass es künftig viele „Kekskinder“ geben werde. Gemeint sind Kleinkinder, die mit einem Keks in der Hand vor dem Fernseher gesetzt werden, während die Eltern das Staatsgeld in Alkohol und Zigaretten umsetzen ... 

 

Das sind Befürchtungen, die in einem solchen Fall immer wach werden – auch in Bayern. Aber das lässt sich empirisch nicht bestätigen – weder in Norwegen als auch in Österreich oder Bayern. Man kann feststellen, dass Eltern ihre Nachfrage nach Kindergartenplätzen tendenziell beibehalten. Und in der Mehrheit haben Eltern das Kindswohl sehr klar im Blick.

Wichtig ist, dass die Kindergärten neue Anreize bekommen. Sie werden angehalten, sich viel stärker an den Interessen, Wünschen und Bedürfnissen von Eltern und Kindern zu orientieren.

 

Kindergärten treten damit noch deutlicher auf den Markt der Möglichkeiten. Was bedeutet das denn für die Einrichtungen?

 

Es gibt zunächst Ängste – und die sind auch berechtigt, denn die Anforderungen, die vor allem auf die Kindergartenleitungen zukommen, sind ganz andere als bisher. Sie müssen eigenständig, selbstständig überlegen: Wie kann ich die Stärken meiner Einrichtung weiter entwickeln? Wie kann ich die Eltern ansprechen? Wie werbe ich für mein Angebot? Wie mache ich es attraktiver? Man muss realistisch sehen, dass Kindergärten auf solche Anforderungen meist nicht vorbereitet sind. Deshalb habe ich empfohlen, Hilfen bereit zu stellen. Und zwar nicht nur durch Übergangsfristen. Es gibt den Vorschlag, die bereits vorhandenen Familienzentren zu Clearingstellen auszubauen. Wir regen auch lokale Patenschaften an. Da kann sich ein mittelständischer Unternehmer hilfreich einbringen im Kindergarten von Kind oder Enkel – und zwar durch Unterstützung bei der Herausforderung, die sich für die Kindergartenleitung aus einem solchen Modell ergibt. Von solchen Hilfen vor Ort wird wesentlich das Gelingen dieser Reform abhängen.

 

Geht es um mehr Markt oder um mehr Entscheidungsfreiheit? 

 

Es gibt diesen Spruch: Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert des Marktes, das 20. Jahrhundert das Jahrhundert des Staates und das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der Bürgergesellschaft werden. Der Staat wird nicht überflüssig, aber er wird ergänzt durch Initiative von Bürgerinnen und Bürgern. Es geht also um Familienpolitik in der Bürgergesellschaft . Das ist hier mit Händen zu greifen. Dieses Engagement muss man ernst nehmen und kanalisieren.

 

Und was wird aus der Bildung im Kindergarten?    

 

Da wird sich der Staat nicht heraushalten. Mit dem Erziehungs- und Bildungsplan und über die Zuschüsse können Mindeststandards sichergestellt werden. Aber noch wichtiger werden da die Eltern selber sein, denn in einem verstärkten Wettbewerbsprozess der Einrichtungen werden sie ihre Anforderungen an die Kindergärten stellen. Das ist der mächtigere Motor, wenn es um die Qualitätssteigerung bei der Wissensvermittlung und Persönlichkeitsbildung in den Einrichtungen geht. Die Familienoffensive und vergleichbare Prozesse anderswo werden hier gerade für mehr Dynamik sorgen. Und das ist auch nötig, denn wir sind, wie die OECD-Studie gezeigt hat, in der Primärbildung nicht besonders gut.

 

Die Eltern von heute sind die Wähler von 2009: Was muss aus Ihrer Sicht Ministerpräsident Dieter Althaus beachten, damit die Familienoffensive zum Erfolg wird?   

 

Das Ganze sehe ich als Paradigmenwechsel in der Familienpolitik. Es muss zunächst mal positiv vermittelt werden, welche Chancen gerade auch für die Eltern und für die Kommunen in dem Vorhaben stecken. Da gibt es meines Erachtens in Thüringen Handlungsbedarf. Ich habe nicht den Eindruck, dass bei den Kommunalpolitikern schon angekommen ist, was Familienoffensive meint und will – und wie das vor Ort sinnvoll umgesetzt und flankiert werden soll. Es geht darum, diese Offensive in die Fläche zu tragen.


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Regierungspressekonferenz am 13. September 2005




In meiner Regierungserklärung habe ich vor fast genau einem Jahr ein umfangreiches Reform- und Erneuerungsprogramm angekündigt. Im Laufe dieses Jahres haben wir die ersten Maßnahmen umgesetzt – im Haushalt, aber auch eine Reihe von Gesetzesnovellen. Jetzt stehen die nächsten wichtigen Maßnahmen auf der Tagesordnung. Obwohl ich weiß, dass die Thüringer Oppositionsparteien einige Punkte gern bewusst falsch interpretieren, stellen wir Ihnen die Einzelheiten heute, fünf Tage vor der Bundestagswahl, vor, um deutlich zu machen, dass wir unserer Verantwortung nachkommen. Denn wir haben nichts zu verschweigen und ich stehe zu dem, was ich vor einem Jahr in der Regierungserklärung angekündigt habe – zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

 

Thüringer Familienoffensive

Familienfördergesetz und Kindertageseinrichtungsgesetz

 

Thüringen ist ein kinder- und familienfreundliches Land. Wir wollen bei dem Erreichten jedoch nicht stehen bleiben, sondern dafür sorgen, dass die Betreuungsangebote für Kinder zukunftssicher werden, dass die Wahlfreiheit der Eltern gestärkt wird, dass sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und Väter in Thüringen weiter verbessert.

Deshalb schaffen wir den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz bereits ab dem zweiten Lebensjahr und deshalb unterstützen wir die Kommunen, dass sie auch für unter zweijährige Kinder ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot machen können.

Einer der Kernpunkte der Familienoffensive ist die Umstellung des Landeserziehungsgeldes auf das „Thüringer Erziehungsgeld“, das im dritten Lebensjahr, nach dem zweijährigen Bundeserziehungsgeld, bezahlt wird.

In den vergangenen Jahren ist der Kreis der Anspruchsberechtigten gesunken, weil der Bund die Einkommensgrenzen gesenkt hat.

Vor kurzem hat es die Meldung aus der Bundesregierung gegeben, dass sie nach einer Bundestagswahl das Bundeserziehungsgeld ganz abschaffen will. Deswegen ist die Umstellung auch für die Thüringer Eltern eine wichtige Maßnahme, um dauerhaft diese Finanzierung zu erhalten.

Für uns stehen die Kinder im Mittelpunkt. Deshalb wollen wir keine Unterschiede machen, sondern: Alle Eltern mit Kindern im dritten Lebensjahr erhalten 150 Euro pro Monat – 200 € für das zweite, 250 € für das dritte, 300 € für das vierte und weitere Kinder – und entscheiden dann selbst, ob sie ihre Kinder in einer Kindertagesstätte oder von einer Tagesmutter betreuen lassen oder selbst betreuen wollen.

Ich halte es für unerträglich, wenn die Oppositionsparteien behaupten, diese Wahlfreiheit schade den Kindern, weil sie in Kindertagesstätten grundsätzlich besser aufgehoben seien als zu Hause. Die Eltern werden damit unter einen Generalverdacht gestellt, der in keiner Weise akzeptabel ist. Weil fünf oder vielleicht auch zehn Prozent der Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind, kann und darf der Staat nicht alle Eltern bevormunden und entmündigen!

Richtig ist: Wo Eltern tatsächlich überfordert sind, muss der Staat helfend eingreifen. Und wir nehmen hier die Jugendämter auch ganz bewusst in die Pflicht. Aber deswegen kann man nicht grundsätzlich das Elternrecht beschneiden. Wer die Oppositionskritik zu Ende denkt, muss alle Kinder ab der Geburt in staatliche Obhut geben. Dieses Denken gehört hoffentlich der Vergangenheit an!

Der zweite wichtige Punkt, der in den vergangenen Wochen schon für hitzige Diskussionen gesorgt hat: Wir werden die Finanzierung der Kindertagesstätten umstellen. Wir wollen auf diesem Gebiet mehr Transparenz und ein bedarfsgerechtes, möglichst vielfältiges Angebot. In anderen Ländern, beispielsweise Sachsen-Anhalt und Brandenburg, orientieren sich die Leistungen des Landes an der tatsächlichen Zahl der kleinen Kindergartenbesucher. Wir gehen einen anderen Weg: Wir orientieren uns an der Zahl der Kinder, die in einer Stadt oder einer Gemeinde leben. Den Zuschuss von 100 Euro zahlen wir also auch für die Kinder, die nicht eine Kindertagesstätte besuchen.

Deshalb ist es auch falsch, dass die zukünftige Zahlenbasis und die Ausgaben des Landes unkalkulierbar seien. Das Statistische Landesamt nennt die Zahl der Kinder im entsprechenden Alter, nach diesen Angaben wird gefördert. Das ist transparent, das ist gerecht und das sichert die hohen Qualitätsstandards.

Es ist eine bewusste Irreführung der Bevölkerung, wenn die Oppositionsparteien behaupten, durch die Umstellung der Kindergartenfinanzierung würden die Gebühren für die Eltern steigen. Dass wir uns politisch um den richtigen Weg streiten, ist in Ordnung. Dass aber mit bewussten Falschinformationen versucht wird, Eltern zu verunsichern und Kinder zu instrumentalisieren, ist nicht akzeptabel.

Ich habe bewusst Kindergärten besucht, die sich bei mir beklagt haben. Das Ergebnis war häufig: Wenn die Kinder in Zukunft so betreut werden, wie das neue Kita-Gesetz das vorschreibt, gibt es einen besseren Betreuungsschlüssel als heute, und wenn die Erzieherinnen so bezahlt werden, wie wir es voraussetzen, erhalten sie eine leistungsgerechtere Bezahlung als heute. Die letzte Einrichtung habe ich am Freitag voriger Woche besucht. Tatsache ist: Heute finanzieren wir bis zu 30 Prozent mehr Kindergartenplätze als tatsächlich Kinder im entsprechenden Kindergartenalter in einer Kommune leben.

Wo bislang Überkapazitäten vorgehalten worden sind, müssen sie abgebaut werden. Es ist grundsätzlich so, dass wir nicht länger Überkapazitäten finanzieren können. Das gilt für alle Bereiche des öffentlichen Lebens und hat selbstverständlich etwas mit der demographischen Entwicklung und der Haushaltsverantwortung zu tun.

Wir nutzen das ersparte Landesgeld aber nicht – wie das eigentlich notwendig wäre – zur Haushaltskonsolidierung oder für Ausgaben außerhalb der Familienpolitik, sondern wir nutzen diese Mittel für Familienpolitik.

Wir sichern eine erstklassige Kindertagesstättenbetreuung, wir bezahlen ein Thüringer Erziehungsgeld, wir ermöglichen mit der Landesstiftung FamilienSinn eine vom Haushalt unabhängige Finanzierung wichtiger familienpolitischer Maßnahmen und wir fördern mit einer Infrastrukturpauschale von 1.000 Euro pro neugeborenem Kind, das sind schätzungsweise 17 Millionen Euro jährlich, Investitionen in Kindertagesstätteneinrichtungen und andere Investitionen mit Blick auf Familien und Kinder.

 

Doppelhaushalt 2006/2007 und Haushaltsbegleitgesetz

Das Kabinett hat dem Doppelhaushalt, so wie er heute von der Finanzministerin vorgelegt wurde, im 2. Kabinettsdurchgang zugestimmt. Die Finanzministerin wird Ihnen gleich die Einzelheiten vorstellen. Nur einige wenige Bemerkungen von meiner Seite: Selbstverständlich ist es unerfreulich, dass wir die Neuverschuldung nicht stärker zurückfahren können. Weitere Etatkürzungen sind gegenwärtig jedoch nicht zu vertreten, die Schmerzgrenze ist erreicht, in einigen Bereichen sogar überschritten. Dass wir weiter sparen müssen, steht völlig außer Frage. Deshalb haben wir mit dem Haushaltsbegleitgesetz und der Vorbereitung der Behördenstrukturreform und den Stellenkürzungen weitere Schritte in Angriff genommen.

Die Effekte stellen sich jedoch nicht von heute auf morgen, sondern mittel- und langfristig ein. Durch das Haushaltsbegleitgesetz werden 16 Landesgesetze und Verordnungen geändert. Dazu gehört auch die Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes.

Ich bin dankbar, dass die Gespräche mit den kommunalen Spitzen konstruktiv verlaufen sind und dass wir am Ende ein Ergebnis haben, das sicher trotzdem noch Kritik hervorrufen wird, aber das vom Grundsatz her auf einer gemeinsam vereinbarten Basis entstanden ist.

Mir ist bewusst, dass manche Kürzungen Proteste hervorrufen. Zum Beispiel beim Blindengeld. Wer diese Kürzungen kritisiert, die am Ende keine soziale Problemlage organisieren, muss uns jedoch sagen, wo er an anderer Stelle gekürzt hätte. Es ist ganz und gar unseriös, uns auf der einen Seite die hohe Verschuldung vorzuwerfen und auf der anderen Seite Minderausgaben zu kritisieren! Von der einen oder anderen Kürzung hätte auch ich gern Abstand genommen, aber die gegenwärtige Lage zwingt uns dazu. Und die Lage ändert sich erst, wenn sich unsere Einnahmesituation wieder bessert, die sich leider kontinuierlich in den letzten Jahren verschlechtert hat.

Auch wenn einige es vielleicht nicht mehr hören wollen: Die finanzielle Lage der Länder und damit auch Thüringens hängt direkt mit der wirtschaftlichen Lage Deutschlands und der Steuerpolitik der gegenwärtigen Bundesregierung zusammen. Sie können ähnliche Entwicklungen, wie wir sie in Thüringen gestalten müssen, in anderen Ländern aktuell nachvollziehen.

Nur wenn wir in Deutschland wieder mehr Wachstum und Beschäftigung haben und dadurch ein höheres Maß an verbindlichen Steuereinnahmen realisieren können, werden wir auch in der Lage sein, bei der Nettoneuverschuldung noch deutlichere Entwicklungen im positiven Sinn zu organisieren und wir werden dann auch hoffentlich mittelfristig wieder in der Lage sein, nicht nur Zinsen zu zahlen, sondern auch Schulden zu reduzieren.

 

Ich bedanke mich bei allen, die in den letzten Wochen, zuerst natürlich bei der Finanzministerin, bemüht waren, diesen Doppelhaushalt und das Haushaltsbegleitgesetz auf den Weg zu bringen. Es ist ein ganz wichtiger Schritt in dieser Legislaturperiode. Und ich hoffe sehr, dass es auch im Rahmen der Behandlung im Thüringer Landtag zu einer zügigen Beratung und Verabschiedung von Doppelhaushalt und Haushaltsbegleitgesetz kommt.

 


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In die Zukunft investieren



Für eine erneuerte Familienpolitik in Bund und Land

 

von Dieter Althaus, Thüringer Ministerpräsident

 

Warum setzen heute so wenige junge Menschen ihren vorhandenen Kin­derwunsch um und was kann die Politik leisten, um potentiellen Eltern das „Ja“ zu Kindern zu erleichtern?

Niemand bekommt heute Kinder, weil er verhindern will, dass das eigene Volk nicht ausstirbt, weil er die Renten sichern will, weil er etwas gegen die Tristes einer kin­derlosen Gesellschaft unternehmen will. Historisch ist das durchaus einem starken Wandlungsprozess unterzogen gewesen. Existenzsicherung durch Kinder war auch in Deutschland ein wichtiges Motiv für das „Ja“ zu Kindern. In vielen Teilen der Welt ist das heute noch so. Und tatsächlich hängt auch die ökonomische Zukunftsfähigkeit unseres Landes von diesem existenziellen „Ja“ zu Kindern ab.

 

Keine Politik auf Kosten zukünftiger Generationen

 

Es macht auch keine Sinn, mit einem weite­ren Anwachsen der Verschuldung und groß­zügigen Finanzspritzen, Eltern „kaufen“ zu wollen, damit sie Kinder kriegen. Im Gegen­teil: Die Belastung zukünftiger Generatio­nen durch immer neue Schulden wider­spricht den Interessen der Kinder. Haus­haltskonsolidierung ist deshalb auch Inte­ressenpolitik für Kinder.

Wir in Thüringen sparen mit unserem neuen familienpolitischen Konzept mittelfristig über 25 Prozent der bisher für diese Berei­che notwendigen Haushaltsmittel ein, ver­doppeln die Aufwendungen für das Erzie­hungsgeld auf Landesebene und schaffen gleichzeitig mehr Wahlfreiheit mit einem neuen Modell der Honorierung von Betreu­ungs- und Erziehungsleistungen. 

 

Die Entscheidung für Familie und Kinder ist eine sehr individuelle und persönliche. Kin­der sind zuallererst eine Bereicherung für die Eltern und sie geben dem Leben neuen Sinn. Mehr als jede materielle und physische Belastung ist es vor allem schön, sich um Kinder zu kümmern, an ihrer Entwicklung Anteil zu haben.

 

Es war falsch, über Familie immer nur unter Benachteiligungsaspekten zu debattieren.  All diese Benachteiligungen wiegen das Glück nicht auf, das Kinder mit sich bringen.

 

Kinderbezogen denken

 

All unsere Bemühungen für ein gerechtes Steuersystem, die Erneuerung des Sozial­staates und damit die Belebung von Wachs­tum und Beschäftigung bleiben letztlich er­folglos, wenn wir sie nicht mit einer erneu­erten Familienpolitik verbinden.

Wir müssen kinderbezogen denken. Die Fa­milie und das Kindeswohl müssen im Mittel­punkt stehen. Nicht der finanzielle Status einer Familie, sondern das Kind muss die Grundlage der Förderung sein. Wenn das Erziehungsgeld heute nur noch Eltern mit niedrigem Haushaltseinkommen ausbezahlt wird, ist das ebenso falsch, wie die Überle­gungen der rot-grünen Bundesregierung, einen Ausgleich in Abhängigkeit zum frühe­ren Einkommen zu schaffen.  

 

Das Thüringer Erziehungsgeld – Gegenmodell zum „Elterngeld“

 

Das „Elterngeld“ soll nur ein Jahr bezahlt werden und 67 % des letzten Einkommens betragen. Warum soll die Erziehungsleistung in den jungen Ländern, wo das Lohnniveau niedriger ist als im Westen, weniger wert sein? Warum soll die Erziehungsleistung einer Managerin höher bewertet werden als die einer Reinigungskraft? Warum dieser falsche Anreiz, Kinder erst dann zu bekom­men, wenn man schon Karriere gemacht hat, weil erst dann die Erziehungsleistung richtig honoriert wird? Das „Elterngeld“ der SPD benachteiligt die jungen Ländern, es schafft Fehlanreize und ist sozial ungerecht. Gute Familienpolitik sieht anders aus!

 

Wenn das Kind und nicht die Haushaltskasse der Familie Ausgangspunkt der Förderung ist, werden auch Fehlsteuerungen vermie­den. Die Erziehungsleistung der Eltern ist gleich viel wert, unabhängig von ihrer au­ßerhäuslichen Beschäftigung.

Weil das Pro-Kopf-Einkommen einer Familie mit steigender Kinderzahl sinkt, müssen staatliche Transferleistungen das berück­sichtigen. Deshalb staffeln wir das Thüringer Erziehungsgeld, das im dritten Lebensjahr des Kindes an die Eltern ausgezahlt wird, nach der Kinderzahl: 150 € im Monat für das erste Kind, 200 € für das zweite Kind, 250 € für das dritte Kind und 300 € für vierte und weitere Kinder. 

 

Rechtsanspruch auf einen Kindergarten­platz ab 2 Jahren

 

Die Wahlfreiheit der Eltern, ob ihre Kinder ganz oder teilweise zu Hause erzogen oder ganz oder teilweise außer-häuslich betreut werden, muss – auch im Sinne einer besse­ren Vereinbarkeit von Familie und Beruf – gestärkt werden. Das Kinder- und Jugendhil­fegesetz des Bundes sieht einen Rechtsan­spruch auf einen Kindergartenplatz erst nach dem dritten Lebensjahr des Kindes vor. Wir in Thüringen führen den erweiterten Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder bereits ab 2 Jahren in Thüringen im kommenden Jahr ein.

 

Verlässlichkeit

 

Familie bedeutet für Kinder und Eltern Ver­lässlichkeit. Dass Freiheit und Verantwor­tung zwei Seiten einer Medaille sind,  erfah­ren Kinder in der Familie.

 

Landesstiftung FamilienSinn

 

Auch die Familienpolitik sollte Verlässlich­keit garantieren. Das heißt, dass die unver­zichtbaren Angebote der Elternbildung und der Familienhilfe, aber auch die allgemeine Schwangerschaftsberatung nicht jedes Jahr von der aktuellen Lage der öffentlichen Haushalte abhängig gemacht werden dür­fen.

Deshalb gründen wir die Landesstiftung Fa­milienSinn und stellen ihr im Laufe der nächsten Jahre ein Kapital von über 30 Mio. € zur Verfügung, mit dem sie diese wichti­gen Aufgaben in Zukunft vom Haushalt un­abhängig finanzieren kann.

Außerdem kann eine solche Stiftung auch privates und unternehmerisches Engage­ment für diese Aufgaben gewinnen.

 

Kinderpauschale

 

Die Kommunen, die eine besondere Verant­wortung für die Kinderbetreuung und für die so genannte familiäre Infrastruktur haben, brauchen ebenfalls Klarheit über die Mittel, die ihnen für eine aktive Politik im Interesse von Kindern und Familien zur Verfügung stehen. Da die Kommunen den Rechtsan­spruch auf einen Kindergartenplatz für alle Kinder umsetzen müssen, sollten sie auch für jedes Kind eine kinderbezogene Pau­schale erhalten, die ihnen bei der Erfüllung dieser kommunalen Pflichtaufgabe hilft. Deshalb erhalten die Träger der örtlichen Jugendhilfe pro Kind zwischen 3 und 6½ Jah­ren eine Kinderpauschale in Höhe von 100 € im Monat und zwar unabhängig davon, ob das Kind tatsächlich einen Kindergarten be­sucht oder nicht.

Von 0 – 2 Jahren gibt es eine bedarfsge­rechte Förderung der Kindertagesstätten­plätze und der Tagespflege. Im dritten Le­bensjahr des Kindes werden Kindertages­stättenplatz oder Tagespflegeplatz, wenn die Eltern sich für eine solche Betreuungs­form entscheiden, mit dem Thüringer Erzie­hungsgeld abgedeckt. Darüber hinaus wer­den auch Behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder besonders gefördert und Praktikantenstellen finanziert.

 

Infrastrukturpauschale

 

Investitionen in Familien, in Kindergärten und alles was zur Verbesserung der Infra­struktur für Familien und Kinder beiträgt sind für mich wesentliche Investitionen in die Zukunft. Mit einer Infrastrukturpau­schale pro neugeborenem Kind von 1.000 Euro können die Landkreise und kreisfreien Städte mit den Kommunen in Einrichtungen und Plätze investieren, die im Interesse von Familien und Kindern sind. Nie ist Geld bes­ser angelegt, als wenn wir es in die Zukunft der nachwachsenden Generation investie­ren.

 

Kindergrundfreibetrag

 

Das gilt auch für die Bundespolitik, wo eine CDU-geführte Bundesregierung ab 2007 einen Kindergrundfreibetrag von 8.000 € einführen wird, der dazu führt, dass Familien mit zwei Kindern und einem Einkommen von rund 38.200 € im Jahr einkommenssteuerfrei sind.

 

Rentenbonus für Eltern

 

Die Strukturfehler bei der Einführung der sozialen Sicherungssysteme, insbesondere bei der Rente, müssen endlich behoben werden. Verfassungsrechtlich sind wir nach Artikel 6 unseres Grundgesetzes sogar dazu verpflichtet. Deshalb wird eine CDU-ge­führte Bundesregierung ab 1. Januar 2007 einen „Rentenbonus“ in Höhe von 50 €/Monat für diejenigen einführen, die Kin­der erziehen. Der „Rentenbonus“ wird bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr des Kindes bezahlt. Der Staat übernimmt damit insgesamt 7.200 € Rentenversicherungsbei­träge.

 

Die Zukunft der Kinder muss der Maßstab sein

 

Wir müssen die Zukunft der Kinder zum Maßstab unseres Handelns machen: Der Staat, in dem er Eltern stärkt und in die Betreuung und Bildung der Kinder inves­tiert. Die Eltern, in dem sie vor allem Zeit für ihre Kinder investieren.

Diese Investitionen in die Zukunft werden unser Land verändern, denn es geht auch um einen Mentalitätswandel in Deutsch­land. Im Übrigen: In einem kinderreichen Land wird wieder mehr gelacht, gibt es we­niger grundsätzlichen Pessimismus.

 

Wie selbstverständlich haben deutsche Poli­tiker im Bereich der Umwelt Bedingungen geschaffen, zum Teil – wie bei der Förderung der Windkraft – fast schon mit ideologischer Schärfe. Warum fällt es so schwer, den Arti­kel 6 des Grundgesetzes, der Ehe und Fami­lie unter den besonderen Schutz des Staates stellt, ernst zu nehmen? Es ist doch existen­ziell für einen Staat, die Familie als die zu­kunftssichernde Institution der Gesellschaft zu „prämieren“, statt sie der allgemeinen Beliebigkeit preiszugeben.

 

Kinderfreundlichkeit prägt eine Gesell­schaft. Kinder sind der Reichtum eines Lan­des. Mit einer gemeinsamen Kraftanstren­gung schaffen wir die Umkehr in die Zu­kunft, die Umkehr zu einem kinderreichen Land. Wenn wir heute damit beginnen, sind alle Statistiken zur Überalterung der Gesell­schaft auf einmal sehr alt. Dann hat das Stichwort „demografischer Wandel“ auf einmal einen ganz neuen, positiven Klang.


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