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Donnerstag. 15. Juli 2004
Aufbau Ost "Wir brauchen einen Ost-Check für alle Gesetze"
Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus hat "eine Art Ost-Check bei allen Gesetzesvorhaben des Bundes" gefordert. Nur so könne sichergestellt werden, dass der Bundestag die Probleme der neuen Länder besser berücksichtige, sagte Althaus der "Berliner Zeitung".

In der Bundesrats-Abstimmung zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe am vergangenen Freitag hatten alle Ost-Länder gegen Hartz IV gestimmt. Da es im Osten drei bis vier Mal so viele Empfänger von Arbeitslosenhilfe gebe wie im Westen, würden die Kommunen im Osten stärker durch das Gesetz belastet. Außerdem werde der Aspekt des Förderns völlig vernachlässigt.


Das Interview mit Dieter Althaus im Wortlaut:

Berliner Zeitung: Herr Althaus, rot-grüne Politiker werfen Ihnen Drückebergerei vor, weil sie im Bundesrat nicht für die Hartz-Reform gestimmt haben. Können Sie das nachvollziehen?
Dieter Althaus: Nein. Wenn wir uns schon so unterhalten, muss ich der Bundesregierung in diesem Punkt Ignoranz vorwerfen. Wir haben im Osten drei bis vier Mal so viele Empfänger von Arbeitslosenhilfe wie im Westen und nach wie vor eine Sondersituation. Ich habe immer klar gemacht, dass wir die Reform so nicht mittragen können. Die Kommunen im Osten werden durch das Gesetz stärker belastet als im Westen und der Aspekt Fördern wird völlig vernachlässigt.

Berliner Zeitung: Das Kabinett hat auf seiner Klausur in Neuhardenberg nun beschlossen, die Zahl der Arbeitsvermittler drastisch ausbauen, um die Menschen schneller in Arbeit zu bringen. Hilft das im Osten weiter?
Althaus: Einen Durchbruch erwarte ich nicht. Es geht nicht um die Zahl der Arbeitsvermittler sondern um die Zahl der Jobs. Entscheidend wird sein, dass wir neue Arbeitsmöglichkeiten entwickeln, etwa im Bereich von Niedriglöhnen oder durch Teilzeit. Dazu müssen wir die Wirtschaft, das Handwerk und die Kommunen stärker unterstützen.

Berliner Zeitung: Was halten Sie von der Idee, Arbeitslose gerade im Osten vermehrt in gemeinnützige Arbeit zu bringen?
Althaus: Es ist besser als nichts. Aber es ist eben nur eine Übergangsmöglichkeit. Die Regierung gibt damit zu, dass sie sich bei der Kürzung der Arbeitsbeschaffung in den neuen Ländern getäuscht hat. Deswegen muss sie jetzt hektisch nachbessern.

Berliner Zeitung: Am Montag treffen sich die Ministerpräsidenten aus den neuen Ländern mit dem Kanzler. Welche Erwartungen haben Sie an das Treffen?
Althaus: Noch ist nicht sicher, ob es zu dem Treffen kommt. Das ist in Neuhardenberg mit der heißen Nadel gestrickt worden und ich habe erst am Sonnabend Nachmittag überhaupt davon erfahren. Ich werde mir aber Mühe geben zu kommen. Wenn es klappt, wird es um Verbesserungen für den Osten gehen.

Berliner Zeitung: Was muss die Bundesregierung tun, um besser auf die besonderen Belange des Ostens einzugehen?
Althaus: Wir brauchen finanzielle Sicherheit. Kürzungsvorschläge wie etwa bei der Gemeinschaftsaufgabe oder beim Hochschulbau müssen wir zukünftig verhindern. Wir brauchen klare Zusagen beim Ausbau der Infrastruktur. Ich denke dabei an den Bau der ICE-Trasse durch Thüringen. Die Bundesregierung sollte sich auch stärker dafür einsetzen, dass die EU-Regionalförderung nicht gekappt wird. Die Förderinstrumente für den ersten und zweiten Arbeitsmarkt müssen ausgebaut werden. Außerdem fordere ich eine Art Ost-Check bei allen Gesetzesvorhaben des Bundes, damit sie im Hinblick auf die Probleme im Osten wirklichkeitsnäher werden. Dann passiert so ein Desaster wie bei Hartz IV nicht mehr.

Berliner Zeitung: In Neuhardenberg kam es zu einer Kontroverse zwischen Wirtschaftsminister Clement und Ihrem Amtskollegen aus Brandenburg, Platzeck. Droht ein neuer Ost-West-Konflikt?
Althaus: Ich will dazu nicht beitragen. Aber die Bundesregierung hat den Ost-West Konflikt mit befördert. Sie hat eine schiefe Debatte über den Osten angezettelt. Ich erinnere nur an die Kontroverse um die Ost-Gutachten des Kanzler-Beraters Klaus von Dohnanyi. Seitdem müssen wir uns ständig rechtfertigen, wenn wir auf die Belange des Ostens hinweisen, wie etwa bei Hartz IV. Die Bundesregierung hat kein Konzept für den Aufbau Ost und es gibt niemanden, der stark genug ist, um im Kabinett die Interessen des Ostens durchzusetzen.

Berliner Zeitung: Wie bewerten Sie die Klausur in Neuhardenberg im Hinblick auf die Probleme im Osten?
Althaus: Das war eine Show-Veranstaltung für Gerhard Schröder im Hinblick auf die Bundestagswahl 2006. Mit der Lebenswirklichkeit im Osten hat sich die Klausur leider nicht ernsthaft beschäftigt.

Das Gespräch führte Jörg Michel. In: Berliner Zeitung vom 12.07.2004.


Mehr zum Thema

Lesen Sie hierzu auch den Artikel "Arbeitslosengeld II nimmt letzte parlamentarische Hürde".
(BERLINER ZEITUNG)
Links:
www.cdu.de/archiv/2370_3355.htm

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